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Auf eine Wahlniederlage mit Swen Bastian

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ANALYSE|VOGELSBERG. Gefühlt hat kein Kandidat im Vogelsberg in den vergangenen Wochen so viele Orte besucht, so viele Pressemitteilungen verschickt und so die Wahlkampftrommel gerührt wie der Direktkandidat der SPD, Swen Bastian. Im Vorstellungs-Interview mit OL gab er sich noch siegessicher. Dann, nach der Niederlage am Wahlabend, verlässt er fluchtartig das Kreishaus. Was ist passiert? Eine Analyse von Till Schmelz.

Auf einen Drink mit Swen Bastian, Grillspezialitäten vom Rost mit Swen Bastian, Natur-pur mit Swen Bastian oder der SPD-Sommer-Stammtisch mit – genau – Swen Bastian. Verfolgte man die Vogelsberger Medienlandschaft in der Zeit des Wahlkampfes, so kam man kaum vorbei an Veranstaltungen, an die nicht ein „mit Swen Bastian“ angehängt werden konnte. Kein Kandidat wirkte während des Wahlkampfes so präsent wie Swen Bastian. Er galt als einer der beiden Favoriten für das Direktmandat. Und dennoch war es der aussichtsreiche SPD-Mann, der am Wahlabend seinem CDU-Kontrahenten Michael Ruhl unterlag und plötzlich so gar keine Lust mehr hatte, im Rampenlicht zu stehen. Ein paar kurze Sätze für die Journalisten im Kreishaus, dann verschwand er, leise und unbeachtet. „Eine Wahlniederlage mit Swen Bastian“, könnte man sagen.

Der Alleingang als Genickbruch

Dabei hat Bastian vieles davon richtig gemacht, wofür die Volksparteien im Moment eigentlich im Kreuzfeuer stehen. Er hat sich mit den Menschen befasst. Einen so bürgernahen Wahlkampf, wie er im Wahlkreis 20 an den Tag gelegt hat, das schaffte selbst die CDU mit ihrer Türklingel-Mentalität nicht. Und gerade die Distanz zum Volk wird der SPD und der CDU, auf Bundes- wie auf Landesebene, regelrecht um die Ohren gehauen. Ein Oberhessen-live-Leser kommentiert die Niederlage Bastians mit: „Statt einem engagierten, dynamischen Bastian, der sich traut, auch mal das Maul aufzumachen […] haben wir nach Wiegel den nächsten stillschweigenden Hinterbänkler im Parlament“. Ob seine Meinung zu Michael Ruhl vertretbar ist, darüber lässt sich streiten, jedoch hat der Kommentator in einem Punkt recht: Bereits in seinem Vorstellungs-Interview mit OL hatte Bastian davon berichtet, wie wichtig es ihm sei, keine falsche Politik zu machen und im Zweifelsfall auch gegen die eigenen Parteikollegen zu argumentieren.

Der Verlierer schüttelt dem Gewinner die Hand: Die beiden Direktkandidaten Swen Bastian (SPD) und Michael Ruhl (CDU)

Diese Haltung, so heroisch und nobel sie für einen Direktkandidaten, von dem die Wähler erwarten die eigene Meinung zu vertreten, auch ist, sie könnte auch ein Grund für die  knappe Niederlage Bastians sein. Auf der einen Seite sprach er die kritischen Probleme im Vogelsberg richtig an und hatte direkt konkrete Lösungen parat – ob Straßenbeiträge, Breitbandausbau oder Lehrermangel. Während Bastian bereits mit konkreten Zahlen rechnete, forderte beispielsweise seine Mitkandidatin Nicole Eggers von den Linken recht unpräzise die Entwicklung „vernünftiger Konzepte“. Andererseits polarisiert er stark mit seiner Persönlichkeit. Es scheint, als könnte man ihn entweder lieben oder hassen, nichts dazwischen. Und mit einigen seiner Meinungen, die leicht abseits der SPD-Linie liegen, polarisiert er nur noch mehr. Für diese Äußerungen und seine persönliche Lebensgeschichte musste sich Bastian auch viel Hass gefallen lassen, den er nicht verdient hat. Was in manchen Postings über ihn zu lesen war, war ehrverletzend, verroht und geschmacklos. Abgesehen davon ist es vorstellbar, dass einige SPD-Wähler Bastian nicht gewählt haben, wegen der Annahme, er könne statt des Willens der Partei seinen eigenen Kopf durchsetzen.

Die Grenze zwischen Bundestag und Landtag

Der Hauptgrund für Bastians Niederlage dürfte jedoch weniger an ihm selbst, am Vogelsberg oder an der Situation Hessens gelegen haben. Am meisten zugesetzt wird ihm Berlin haben. Der Ruf der Groko hat den Landesparteien der Union und der SPD deutlich geschadet. Das war bereits in Bayern zu sehen und in Hessen zu erwarten. Für viele Menschen verschwimmt die Grenze zwischen Bundes- und Landespolitik immer stärker, die alten Volksparteien haben ein generelles Problem, wie der Aufstieg der AfD zeigt. Es ist ein Problem, welches Swen Bastian am Wahlabend der 20. Landtagswahl persönlich zu spüren bekam.

Was genauBastian den Sieg des Direktmandats gekostet hat, das wissen letztendlich nur die Wähler. In Romrod, dem Ort wo er aufgewachsen ist, konnte er noch die Mehrheit holen, musste sich jedoch in Lauterbach, seinem Geburtsort, und in Alsfeld, seinem Wohnort, gegenüber Michael Ruhl geschlagen geben. Einige freuen sich über die Niederlage Bastians, andere sind geschockt. Die Reaktionen verhalten sich so gespalten wie das Wahlergebnis. Ob Bastian bei der nächsten Landtagswahl, die voraussichtlich 2023 stattfindet, einen dritten Anlauf wagen wird, das weiß er selbst noch nicht. „Heute Abend ist nicht die Zeit, um sich darüber Gedanken zu machen“, antwortete er im Pressetumult am Wahlabend auf diese Frage. Es ist ja auch noch ein bisschen Zeit bis dahin.

Der Beitrag Auf eine Wahlniederlage mit Swen Bastian erschien zuerst auf Oberhessen-Live.


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